Insektensterben: Wer Insekten schützen will, braucht Hintergrundwissen
Das Insektensterben ist in vollem Gange. Wildbiene, Schmetterling und Mistkäfer sind bedroht. Doch den Verlust der Artenvielfalt wollen viele Menschen nicht einfach so hinnehmen. Vom Volksbegehren „Rettet die Bienen“ bis zum Hype um den insektenfreundlichen Garten – Ansätze, um etwas zu verbessern, gibt es viele.
Um Insekten effektiv zu schützen, müssen wir aber erst die Hintergründe des Insektensterbens verstehen. Dafür lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit. In diesem Artikel findest du deshalb fünf wichtige historische Ursachen für das Insektensterben – vom Aussterben der großen Pflanzenfresser bis hin zum Klimawandel.
Die Krefelder Studie: so dramatisch ist die Lage der Insekten in Deutschland
In aller Kürze
- Die Krefelder Studie wurde in deutschen Naturschutzgebieten durchgeführt und 2017 veröffentlicht.
- Sie ist eine der wichtigsten wissenschaftlichen Untersuchungen zum Insektensterben.
- Sie zeigt einen Rückgang der Gesamtmasse an Insekten in Naturschutzgebieten innerhalb von 30 Jahren um 76 Prozent.
- Fraglich ist aber, ob zum Studienbeginn in den 1990er Jahren überhaupt noch gute Voraussetzungen für Insekten herrschten.
Insektenfreie Autoscheiben auf der Fahrt in den Urlaub? Im Jahr 2017 belegten Forscher mit der sogenannten Krefelder Studie, was wohl die meisten aufmerksamen Naturfreunde schon geahnt hatten: Die Lage der Insekten in Deutschland ist dramatisch.
Über einen Zeitraum von 30 Jahren sammelten die Wissenschaftler Daten in deutschen Naturschutzgebieten. Sie konnten einen Rückgang der Gesamtmasse an Fluginsekten von 76 Prozent belegen. [1]
Selbst in Schutzgebieten finden unsere heimischen Insekten also keinen geeigneten Rückzugsort mehr. Der Deutsche Naturschutz hat dem Artensterben bisher wenig entgegenzusetzen.
Wir mögen heute nostalgisch auf die Artenvielfalt der 90er Jahre zurückblicken. Aber auch damals waren die Insektenbestände schon in starker Bedrängnis. Um das Insektensterben zu verstehen, müssen wir also noch einen Schritt zurückgehen.
Wann begann das Insektensterben? Und wie sieht eigentlich eine „intakte“ Natur aus?
Vergessene Vielfalt – wie das Shifting Baseline Syndrom unsere Wahrnehmung verzerrt
Was wir als „normal“ empfinden, hängt maßgeblich mit dem zusammen, was wir selbst erlebt haben. Unsere Großeltern sammelten noch verschiedenste Schmetterlinge für ihren Insektenkasten vor der eigenen Haustür. Heute finden wir viele dieser Arten nur noch in abgelegenen Naturschutzgebieten.
Das Problem: Wer die Vielfalt der Arten und Individuen nicht selbst erlebt hat, vermisst sie auch nicht. Er empfindet keinen Handlungsdruck, grundlegend etwas zu verändern. Jede Generation hat neue Bezugspunkte, auf die sie sich in ihrer Wahrnehmung der „Normalität“ bezieht. Diese Wahrnehmungsverschiebung nennt sich „Shifting Baseline Syndrom“.
Die Veränderungen, die zum Insektensterben führten, liegen teils weit in der Vergangenheit. Um die Ursachen zu verstehen, müssen wir also weit zurückblicken.
Grund 1: Das Verschwinden der großen Weidetiere
In aller Kürze
- Im dichten Wald leben verhältnismäßig wenige Insektenarten.
- Viele Insekten sind aber auf strukturreiche offene oder halboffene Landschaften mit viel Licht angewiesen.
- Im natürlichen Ökosystem gestalten große Pflanzenfresser diese Landschaften und drängen den Wald zurück.
- Die Rolle des Landschaftsarchitekten übernahmen sowohl wilde Pflanzenfresser wie Auerochse und Tarpan als auch ihre domestizierten Verwandten wie Hausrind oder das domestizierte Pferd.
- Heute gibt es kaum noch Großtiere in unserer Landschaft. Damit fehlen die Architekten der Insekten-Lebensräume.
Artenvielfalt im Offenland – hier leben die gefährdeten Arten
Der Hotspot des Lebens ist das strukturreiche Offenland: Wiesen und Weiden, Moore, Feuchtgebiete und Heiden. Wandert man durch eine solche ökologisch intakte Landschaft, brummt, flattert, hüpft und summt es bei jedem Schritt.
In unseren Schutzgebieten verhindern bezahlte Landschaftspfleger oder engagierte Naturschützer, dass diese Biodiversitätshotspots zuwuchern und somit für die Offenlandarten verloren gehen. Das ist eine unverzichtbare Arbeit.
Es bleibt jedoch die Frage, wer vor der Erfindung von Sense, Balkenmäher und Traktor für diese offenen Landschaften sorgte.

Keine Lust auf Wald – unsere Insekten haben andere Vorlieben
Wenn die Menschen an unberührte Natur denken, haben sie in der Regel undurchdringliche Urwälder vor Augen. Das ist kein Wunder – lässt man die Vegetation bei uns wachsen, entsteht mit den Jahrzehnten allmählich ein hochstämmiger Buchenwald. Die dichten Baumkronen der Buche lassen nur wenig Licht auf den Boden. Das hat zur Folge, dass sie nicht nur die anderen Baumarten, sondern auch viele weitere Pflanzen am Boden verdrängen.
Auf Basis dieser Voraussetzungen müsste die Evolution bei uns eigentlich unzählige Arten hervorgebracht haben, die auf den Urwald und speziell auf die Buche angewiesen sind. In der Praxis erfreut sich der „finstere Wald“ aber nur bei wenigen Insekten großer Beliebtheit.
Der Dokumentarfilmer Jan Haft hat in seinem lesenswerten Buch „Wildnis“ von Experten schätzen lassen, wie stark einzelne Insektengruppen vom geschlossenen Wald abhängig sind:
- Nur etwa 300 unserer 10.000 heimischen Fliegen- und Mückenarten leben bevorzugt in geschlossenen Wäldern.
- Bei den Käfern sieht es nicht anders aus. Nur jede siebte Art der etwa 7000 heimischen Käferspezies findet sich im tiefen Wald.
Noch weniger Arten sind ausschließlich auf den dunklen Buchenurwald angewiesen. Das gilt selbst für sogenannte Urwaldreliktarten. Hirschkäfer und Eichenbock nehmen auch gerne alte Eichen, die in einem sonnigen Park stehen.
Ihre Vorliebe fürs Sonnenlicht teilen sich unsere Insekten mit den allermeisten heimischen Reptilien, Vögeln und Säugetieren. [2]
Auf Safari in Deutschland: die vergessenen Herden der wilden Pflanzenfresser
Die Vielfalt unserer heimischen Insekten entstand evolutionär im Gleichklang mit den großen Pflanzenfressern, den Megaherbivoren.
Noch in der letzten Warmzeit vor 120.000 Jahren streiften Waldelefanten, Nashörner, Nilpferde, Auerochsen, Wasserbüffel, Wildpferde, Wisente und Wildesel durch Mitteleuropa. Sie gestalteten als Architekten der Ökosysteme die Landschaft.
Mit ihrem Hunger auf Grünzeug drängten sie den Wald zurück und ließen vielerorts parkähnliche Landschaften entstehen. Ihre Hufe sorgten für offene Bodenstellen und an ihrem Fell haftende Samen, brachten Pflanzen zu neuen Standorten. Auf den Dunghaufen der Großtiere tummelten sich Mistkäfer und Fliegen und selbst die Kadaver boten unzähligen Tieren einen reich gedeckten Tisch. Die Insekten wiederum ernährten als Teil der Nahrungskette Vögel, Reptilien und Amphibien.
In dieser von Pflanzenfressern gestalteten Landschaft, fand das ganze Spektrum der Artenvielfalt geeignete Lebensbedingungen. Hier entstanden unzählige Lebensraumnischen, passend für die verschiedenen Insektenarten mit ihren speziellen Ansprüchen an den Lebensraum.
Während der Eiszeiten zogen sich die wärmeliebenden Tiere nach Süden zurück und machten Platz für Mammuts und Wollnashörner. Wenn das Klima wieder wärmer wurde, kehrten die insektenreichen Artengemeinschaften zurück nach Mitteleuropa.
Vor etwa 12000 Jahren begann unsere aktuelle Warmzeit, das Holozän. Im Holozän wurde der Mensch zur bestimmenden gestalterische Kraft. Die großen Herden der wilden Pflanzenfresser verschwanden. Der letzte Auerochse starb vermutlich 1627 in Polen.
Domestizierte Weidetiere: Retter unserer Artenvielfalt?

Die Rolle der wilden Megaherbivoren im Ökosystem blieb jedoch nicht unbesetzt. Ihre Funktion als Ökosystemarchitekten übernahmen ihre domestizierten Verwandten: Hausrinder, Hauspferde, Schafe, Ziegen und Schweine.
Bis weit ins 19. Jahrhundert trieben die Bauern in ganz Deutschland ihr Vieh in die Landschaft. Auf den Allmende-Weiden, Gemeinschaftsweiden rund um das Dorf, grasten die Nutztiere der Dorfbewohner und erhielten das Offenland mit seinem Insektenreichtum.
Auch in den Wald wurden die Tiere zum Fressen getrieben. Das ließ lichte Wälder entstehen, die ungleich artenreicher waren als unsere heutigen Baumplantagen.
In dieser abwechslungsreichen Kulturlandschaft konnte sich die Vielfalt der Insekten mit ihren unterschiedlichen und oft speziellen Ansprüchen an den Lebensraum erhalten. Die ökologischen Prozesse, von denen die Lebensgemeinschaften des Offenlands abhängig sind, hatten weiterhin Bestand.
Auf den letzten Allmende-Weiden Europas, die sich heute zum Beispiel in Teilen Rumäniens finden, ist die Vielfalt an Lebewesen bis in unsere Zeit erhalten geblieben. Hier leben bei uns lange ausgestorbene Arten, darunter der Regensburger Gelbling aber auch Vögel wie Blauracke und Schwarzstirnwürger. [3]
Der Ursprung des Insektensterbens? – Das Verschwinden der Weidetiere

Über einen Zeitraum 8000 Jahren war die Beweidung die bestimmende Form der Grünlandwirtschaft. Auch die domestizierten Weidetiere schufen durch Fraß und Tritt strukturreiche Landschaften. Ihr Dung und ihre Kadaver boten einer Vielzahl von Insekten Nahrung. Zudem verbreiteten sie durch ihre Wanderungen die Samen wichtiger Futterpflanzen für die Insekten. Viehtriebe gingen teils durch große Teile Europas.
Im Verlauf des 18. und 19. Jahrhunderts endete die Jahrtausende alte Praxis der gemeinschaftlichen Dorfweide. In der verbesserten Dreifelderwirtschaft, wurde auf der brachliegenden Fläche Tierfutter (Rotklee / Kartoffeln / Luzerne) angebaut. Dadurch konnten die Nutztiere im Stall bleiben. Es lohnte sich nicht mehr, das Vieh zur Futtersuche in die weite Landschaft in der Umgebung des Dorfes zu treiben. Außerdem konnten den Bauern den Dung nun gezielt als Dünger verwenden.
Um höhere Erträge zu erwirtschaften, brachen Bauern alte Weiden in Felder um oder verwandelten sie in Mähwiesen. Unfruchtbare Böden wurden vielfach aufgeforstet. So ging der zentrale Insektenlebensraum Wilde Weide auf vielen Flächen verloren. Das Insektensterben begann.
Heute fokussiert sich der Insektenschutz vielfach auf die letzten verbliebenen, artenreichen Mähwiesen. Wilde Weiden spielen noch eine untergeordnete Rolle.
Dass Wiesen überhaupt großflächig gemäht werden, ist aber ein Phänomen der letzten 150 Jahre. Die typischen Glatthaferwiesen (FFH-Lebensraumtyp 6510) entstanden beispielsweise erst um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert. Es ist fraglich, ob der Glatthafer selbst vor Beginn der Neuzeit überhaupt in Deutschland vorkam. [4]
Waldweide und Insektensterben
Aber nicht nur im Offenland kam es zu Veränderungen. Auch aus dem Wald wurden die Weidetiere verbannt. Schon seit dem 16. Jahrhundert war um die Ressource Holz angesichts der wachsenden Bevölkerung und wirtschaftlicher Veränderungen ein erbitterter Verteilungskonflikt entbrannt. Um eine Übernutzung des Waldes zu verhindern, wurde die Waldweide in vielen Forstordnungen verboten. Statt Nieder- und Mittelwälder setzten die Förster auf schnell wachsende, hochstämmige Bäume. Die Bauern mit ihren Weidetieren hatten vielfach das Nachsehen.
Mit dieser Entwicklung verschwanden die offenen, lichtdurchfluteten Wälder in Deutschland, auf die viele Insektenarten angewiesen sind. Ein möglichst hoher Bauholzertrag wurde zum übergeordneten Ziel der Bewirtschaftung. Durch das geschlossene Blätterdach der gepflanzten hochstämmigen Bäume wurden die Wälder dunkel. Aus naturnahmen Wald wurde der moderne Forst.

Der Beginn des Artensterbens in Deutschland?
Das Verschwinden der Großtiere aus Feld, Wald und Wiese im 18. und 19. Jahrhundert ist vermutlich eine der Hauptursachen des großflächigen Insektensterbens in Mitteleuropa. Mit den Architekten der Natur verschwand auch die Dynamik aus den Lebensräumen. Die Landschaft wurde eintönig und spezialisierte Insektenarten starben aus. Auch die Biomasse an Insekten fehlt heute in der Landschaft.
Mit der Biomasse als Nahrungsgrundlage gingen auch jene Arten zurück, die von einem reich gedeckten Insektenbuffet abhängig sind – so zum Beispiel die große Hufeisennase, eine Fledermaus, die besonders gerne Mistkäfer frisst. [5]
Grund 2: Die Flurbereinigung und der Verlust von Lebensräumen
- Anfang der 1950er Jahre war die Kulturlandschaft in Deutschland noch sehr vielfältig.
- Es gab kleine Felder und Weiden, Steinhaufen, Tümpel und Hecken.
- Um die Landwirtschaft mit großen Maschinen ertragreicher zu machen, wurden viele dieser „Hindernisse“ beseitigt.
- Es blieben überwiegend große Felder mit nur wenigen Pflanzensorten in Monokultur.
- Auf den intensiv bewirtschafteten und gedüngten Wiesen im Grünland kann heute bis zu sechsmal gemäht werden, was vielen Insekten schadet.
Kleinteilige Landwirtschaft in den 1950er Jahre
Trotz der gravierenden Veränderungen im 19. Jahrhundert bot die Landschaft in Deutschland Anfang der 1950er Jahre immer noch abwechslungsreiche Insektenlebensräume. Auch hier gab es noch eine große Artenvielfalt. Kleine Felder und Weiden wechselten sich mit Hecken, Steinhaufen, Tümpeln, weiten Moorlandschaften, wilden Bächen und Feuchtgebieten ab.
Das änderte sich, als während der 1950er Jahre die Intensivierung der Landwirtschaft Fahrt aufnahm. Die wachsende Bevölkerung brauchte dringen Lebensmittel. Um dieses Ziel zu erreichen, sollte mit möglichst großen Maschinen möglichst viel Fläche auf einmal bewirtschaftet werden. All jene Strukturen, die der Effizienz im Wege standen, wurden dabei nach und nach beseitigt.
Dafür wurden in großem Umfang Maßnahmen zur Flurbereinigung umgesetzt. Flächen wurden zusammengelegt und Hindernisse beseitigt. Das erleichterte den Einsatz großer landwirtschaftlicher Maschinen und steigerte so die Produktivität.
Noch heute gilt in vielen Bereichen der Landwirtschaft das Prinzip „Wachsen oder Sterben“. Die Anzahl der Bauern nimmt ab, während die bewirtschaftete Fläche pro Betrieb steigt. Wer Landwirte nachhaltig für den Naturschutz gewinnen will, muss ihnen eine damit verbundene wirtschaftliche Perspektive ermöglichen.

Monokulturen statt Vielfalt
Die Flurbereinigung legte den Grundstein für Monokulturen, in denen auf großer Fläche jeweils nur eine Nutzpflanze angebaut wird. Auch Ackerbrachen, wie es sie im Zuge der Dreifelderwirtschaft gab, spielten in der Wirtschaftswunderzeit Zeit keine Rolle mehr. Der Ertrag pro Fläche stieg massiv an. Gleichzeitig sanken die Preise für Lebensmittel. [6]
So lohnte es sich kaum mehr, Flächen mit geringer Produktivität (sogenannte Grenzertragsstandorte) zu bewirtschaften. In der Nachkriegszeit wurden sie deshalb in den meisten Fällen aufgegeben und vielfach aufgeforstet.
Auch die Bewirtschaftung von Streuobstwiesen mit hochstämmigen Obstsorten, ein sehr artenreicher Lebensraum, war nicht mehr wirtschaftlich.
Was bedeutet die Flurbereinigung für die Insekten
Durch Umwandlung in Äcker oder Wald gingen viele der Offenland-Lebensräume der Insekten verloren. Das Umbrechen von Grünland in Ackerland nahm vor allem ab den 1970er Jahren Fahrt auf.
Zugleich intensivierte sich die Nutzung auf dem verbliebenen ertragreichen Grünland rasant. Früher wurde hier ein- bis zweimal im Jahr gemäht. Heute ist es durch Düngung und den Einsatz von Maschinen möglich, Wiesen bis zu sechsmal im Jahr zu mähen. Die hohe Intensität der Bewirtschaftung ist für viele Insekten ein Problem. [7]

Die Mahd: Notwendige Pflege oder Ursache für das Insektensterben?
Wird eine Wiese nicht gemäht, wächst sie langsam zu und verliert somit ihren ökologischen Wert. Trotzdem stellt der Vorgang des Mähens viele Insekten vor ein ernstes Problem.
Mit moderne Mähwerken wie Kreiselmähern beträgt die Sterblichkeit durch alle Artengruppen hinweg – egal ob Amphibien oder eben Insekten – pro Schnitt etwa 5 – 80 Prozent. Wird eine Wiese im Ganzen gemäht, bedeutet das vielfach einen ökologischen Kahlschlag. Solche Flächen müssen Insekten erst wieder von außerhalb besiedeln. Das setzt aber voraus, dass im direkten Umfeld noch intakte Lebensräume mit diesen Arten vorhanden sind.
Der eigentliche Mähvorgang ist aber nicht das einzige Problem, vor dem die Wiesenbewohner stehen. Selbst bei der Mahd mit einem Balkenmäher ist die Grasnarbe auf wenige Zentimeter reduziert. Überlebende Insekten sind nun ungeschützt der prallen Sonne ausgesetzt. Mit dem Abtransport des Grasschnitts werden zudem alle bis dahin abgelegte Eier abtransportiert. Auf der leergeräumten Fläche entsteht Nahrungsknappheit.
In unserer heutigen Kulturlandschaft ist der nächste geeignete Lebensraum oft nur schwer zu erreichen. Für Arten, die nicht über weite Strecken wegfliegen können, ist somit auch eine Abwanderung kaum möglich.
Eine insektenfördernde Pflege von Wiesen ist sehr arbeitsaufwändig und wirtschaftlich ohne Subventionen nicht rentabel. [8]
Wie sieht unser Grünland heute aus?
Artenreiches Grünland ist mittlerweile eine Rarität. Die verbliebenen Flächen werden heute meist intensiv bewirtschaftet und sind stark gedüngt. Unter diesen Voraussetzungen geht es nur wenigen Arten wirklich gut. Dass einzelne Individuen einer Art noch anzutreffen sind, heißt zudem nicht, dass die Population auch langfristig in einem Gebiet überlebensfähig ist. Oft dauert der Prozess des Aussterbens viele Jahre. Man spricht von einer „Aussterbeschuld“.
Das verbliebene Grünland wird heute vielfach als Silagegrasland genutzt, um das Vieh im Stall zu versorgen. Zudem wurden viele Wiesen zur Kraftfuttergewinnung (insbesondere Mais) in Ackerland umgebrochen. Die Umwandlung in Ackerland macht die Flächen für die allermeisten Insekten wertlos.
Im 21. Jahrhundert gab es eine erneute Intensivierung der Landwirtschaft. Grund war diesmal vor allem das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) aus dem Jahr 2000. Seitdem bauen Landwirte Energiepflanzen wie Mais, Raps und Getreide verstärkt als nachwachsende Rohstoffe für die Energiegewinnung an. Der Druck auf die Flächen ist somit ungebrochen groß. [9]
In einer zersplitterten Landschaft finden die Insekten keine Rückzugsorte mehr
Aus Sicht der meisten Insekten ist unsere Landschaft heute lebensfeindlich. Restpopulationen gefährdeter Arten sind in zersplitterten Lebensrauminseln isoliert. In der intensiv bewirtschafteten Kulturlandschaft fehlen Wanderwege, um kleine Vorkommen zu vernetzen. Bei der Zerstörung eines Habitats finden die Insekten oft kaum geeignete neue Lebensräume. So verschwinden auch einst häufige Arten aus mehr und mehr Gebieten und die Biomasse der Insekten nimmt flächendeckend weiter ab. [10]
Grund 3: Die Überdüngung der Landschaft
In aller Kürze
- In unserer Landschaft herrscht natürlicherweise Nährstoffarmut. Auf nährstoffarmen Böden findet sich die größte Pflanzenvielfalt.
- Viele Insekten sind auf diesen Lebensraum mit seiner Pflanzenvielfalt angewiesen.
- Über die Landwirtschaft aber auch Auto- und Fabrikabgase gelangt Dünger in Form von Stickstoff in die Landschaft.
- Dadurch verändern sich auch Lebensräume in Schutzgebieten und auf brachliegenden Flächen.
- Konkurrenzstarke, nährstoffliebende Pflanzen verdrängen dann spezialisierte Pflanzen und damit auch die von ihnen abhängigen Insekten.
Natürlicher Nährstoffmangel bedeutet Artenvielfalt
Alle Pflanzen benötigen Stickstoff zum Wachsen. In Mitteleuropa herrscht aber üblicherweise Nährstoffmangel. Vor allem Stickstoff ist als Ressource für das Pflanzenwachstum begrenzt. Die meisten europäischen Pflanzen sind deshalb auf nährstoffarme Böden spezialisiert.
Gibt es viele Nährstoffe, wie ursprünglich zum Beispiel durch Einwaschung in Flussauen und Überschwemmungsgebieten, setzen sich stark wuchernde, nährstoffliebende Arten wie einzelne Gräser oder Brennnesseln durch. Durch ihren Wuchs unterdrücken sie die Vielfalt der langsam wachsenden Pflanzen.
Der volle Artenreichtum unserer heimischen Gewächse zeigt sich deshalb meist erst auf nährstoffarmen, also auf mageren Standorten. Hier leben auch die meisten bedrohte Insektenarten. Sie sind teilweise auf einzelne Pflanzenarten spezialisiert, die sie zur Fortpflanzung zwingend benötigen.
Fehlen die sogenannten Raupenfutterpflanzen für den Insektennachwuchs, dann fehlen auch die dazugehörigen Schmetterlinge, Wildbienen oder Schwebfliegen. Selbst dann, wenn die ausgewachsenen Tiere reichlich Blüten zur Nahrungsaufnahme finden. Deshalb ist Überdüngung eine der Ursachen für das Insektensterben.
Die Düngung der Landschaft ist eine historisch neue Entwicklung. Über viele Jahrtausende entzog der Mensch seiner Umgebung Nährstoffe. Die Bevölkerung sammelten Feuerholz, Einstreu, Tierfutter und Düngematerial von Acker, Wald und Wiese.
Die natürliche Nährstoffarmut hatte somit bestand, was die reiche Flora des Offenlandes über die letzten Jahrtausende erhielt. [11]

Die Erfindung des künstlichen Düngers
Nutzpflanzen benötigen Stickstoffverbindungen um zu wachsen. Dies war bereits seit Mitte des 18. Jahrhunderts bekannt.
Im Zeitraum von 1880 bis 1920 kam schließlich vermehrt industriell erzeugter Kunstdünger zum Einsatz. Der Dünger wurde zwar selten direkt auf das Grünland ausgebracht, er steigerte jedoch die Tierfutterproduktion auf den Ackerflächen.
Dadurch konnte die Anzahl der im Stall gehaltenen Tiere vergrößert werden. Dies wiederum ermöglichte es den Bauern mit dem Mist der Tiere, die Nährstofflücke im Grünland zu schließen. Wiesen waren nun ertragreich genug, um sie zweimal, statt bisher einmal im Jahr zu mähen.
Das Haber-Bosch Verfahren
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es schließlich große Anstrengungen, die Landwirtschaft endgültig von den natürlich vorkommenden Stickstoffquellen zu entkoppeln. Das war auch bitter nötig, denn die rasant wachsende Bevölkerung in dieser Zeit mussten mit Lebensmitteln versorgt werden.
Durch die Entwicklung des Haber-Bosch-Verfahrens gelang es, Kunstdünger in großen Mengen herzustellen. Mit dem industriell erzeugten Mineraldünger konnten die Bauern spätestens ab den 1960er Jahren, Äcker und auch Grünland großflächig düngen und somit die Ernteerträge massiv steigern. [12]
Seitdem hat sich die jährliche Freisetzung von Stickstoffverbindungen in Deutschland verzehnfacht. [13]
Nährstoffe verändern die Wiesen
Mit der flächendeckenden Düngung ging sowohl die Insektenvielfalt als auch die Bestandsdichte einzelner Arten im intensiv genutzten Grünland zurück.
Wie bereits im vorherigen Kapitel beschrieben, konnte durch zusätzliche Dünung auch das Grünland intensiver bewirtschaftet werden. Eine Wiese wird heute bis zu 6-mal im Jahr gemäht – mit verheerenden Folgen für die dort vorkommenden Insekten.
Die häufige Mahd ist aber nicht das einzige Problem für die Insekten. Je mehr Nährstoffe sich anreichern, desto dichter wachsen die Gräser. Deshalb wird vielen spezialisierten Insektenarten in unseren Wiesen trotz Klimaerwärmung zu kalt. Sie sind für ihren Lebenszyklus auf Wärme und Licht angewiesen.
Eutrophierung: Nährstoffeintrag in die Landschaft
Dass Bauern ihre landwirtschaftlichen Flächen düngen, ist aus Insektensicht natürlich ungünstig. Das eigentliche Problem ist jedoch, dass die Nährstoffe keineswegs nur auf den landwirtschaftlichen Flächen bleiben.
Über Entwässerungsgräben gelangt Stickstoff in Flüsse und Seen und verändert dort die Artenzusammensetzung. Schließlich wird er über die Flüsse ins Meer gespült, was zum Beispiel in der Ostsee zu massiven Algenblüten führt. [14]
Autoverkehr: Fahrende Stickstoffschleudern in der Landschaft
Zur Düngerfreisetzung aus der Landwirtschaft kommt ein weiteres Problem. In Deutschland regnet es flächendeckend reaktiven Stickstoff aus der Luft. Dieser ist in Regenwasser gelöst oder an Feinstaubpartikel gebunden. Bei diesen Stickstoffverbindungen handelt es sich oft um Abgase von Kraftwerken oder aus dem Autoverkehr. Dieser Stickstoff gelangt über die Luft bis in unsere Naturschutzgebiete.
Dort bedroht die zusätzliche Düngung, die auf nährstoffarme Böden spezialisierten Artengemeinschaften. Aus bunten Blumenwiesen wird monotones Grasland, dessen Erscheinungsbild von einzelnen dominanten Grasarten bestimmt wird. Die wenigen Rückzugsgebiete für bedrohte Arten verlieren so an Qualität. [15]
Grund 4: Pestizide mit direkter und indirekter Wirkung
In aller Kürze
- Pestizide werden seit den 1960er Jahren großflächig eingesetzt.
- Sie wirken nicht spezifisch auf einzelne Arten, sondern töten in der Regel ein breites Spektrum an Organismen.
- Um Insekten zu schaden, müssen Pestizide aber nicht unbedingt tödlich wirken.
- Oft kommt es zu versteckten Problemen. Zum Beispiel bei der Fortpflanzung von Insekten oder durch Auswirkungen auf die Darmbakterien von Bienen.
Pestizide – Gift mit Breitbandeffekt
Zusätzlich zum Verlust der Lebensräume, setzen auch Pestizide unsere heimischen Insekten unter Druck. Etwa 30.000 Tonnen dieser Wirkstoffe werden in Deutschland pro Jahr eingesetzt Die chemischen Mittel sollen Ernteschädlinge oder Unkräuter abtöten und richten sich gegen Pflanzen (Herbizide), Pilze (Fungizide) oder Insekten (Insektizide). Nur durch Pestizide sind moderne Anbautechniken wie Monokulturen oder der Einsatz gebietsfremden Arten möglich. [16]
Der Einsatz von Pestiziden begann großflächig in den 1960er Jahren und nahm bis in die 1980er Jahre stark zu. In den 90ern folgte die Einführung besonders wirksamer Insektizide: die Stoffklasse der Neonicotinoide kam auf den Markt. Auch wenn bis auf den Wirkstoff Acetamiprid mittlerweile alle Neonicotinoide in Deutschland verboten sind, werden immer noch große Mengen verschiedener anderer Wirkstoffe auf die Felder ausgebracht.
Das Grünland beträgt nur 28 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche in Deutschland. Hier verwenden Landwirte kaum Pestizide. Sehr viele Pestizide kommen dagegen im Obst-, Wein- und Hopfenanbau zum Einsatz. Eine wesentlich größere Rolle als Insektizide spielen hier Fungizide und Herbizide. [17]
Das große Problem an Pestiziden generell ist: Sie wirken nicht gezielt auf einzelne Arten, sondern töten ein breites Spektrum an Organismen – egal ob schädlich oder nützlich.
Unerkannte Effekte? Welche versteckte Wirkungen können Pestizide auf das Insektensterben haben?
Auch Herbiziden oder Fungiziden können Insekten beeinträchtigen, obwohl sie eigentlich Unkräuter oder Pilze bekämpfen sollen. Dabei müssen die Pflanzenschutzmittel nicht einmal einen direkten tödlichen Effekt für das einzelne Insekt haben.
Insekten können beispielsweise in Ihrer Entwicklung oder Fortpflanzung beeinträchtigt werden oder es kommt zu Problemen mit Kreislauf oder Immunsystem. Auch Stoffwechsel und Thermoregulation können betroffen sein.
Eine Studie an Bienen zeigte, dass zwar die einzelnen Tiere keinen direkten Schaden erlitten. Dafür aber deren Darmbakterien, die sowohl für Verdauung als auch für das Immunsystem wichtig sind. Solche Effekte können unbemerkt ganze Insekten-Populationen nachhaltig beeinträchtigen. [18] Fungizide stehen beispielsweise im Verdacht, beim Aussterben des Mosel-Apollo-Falters eine Rolle zu spielen. [19]
Bei über 33.000 Insektenarten in Deutschland können selbst Studien immer nur einen winzigen Ausschnitt zur tatsächlichen Wirkung von Pestiziden liefern. Alle möglichen negativen Effekte auszuschließen, ist fast unmöglich. Der Einsatz ist deshalb immer mit unerkannten Risiken für einzelne Insektenarten verbunden.

Die Wirkung von Pestiziden in der Landschaft
Auch Pestizide verbleiben nicht immer nur am Ort ihrer Ausbringung. Eine Studie des NABU aus dem Jahr 2021 konnte in Naturschutzgebieten auf den einzelnen Insekten durchschnittlich 16 Pestizide nachweisen. [20]
Ein weiteres Problem ist der Verlust der Nahrungsgrundlage von Insekten. Herbizide, die zur Unkrautvernichtung eingesetzt werden, verhindern, dass Insekten in unserer Kulturlandschafts ausreichend Nahrung finden. Vor allem die Unterdrückung von Ackerwildkräutern stellt pflanzenfressende und blütenbesuchende Insekten vor große Probleme. Viele der Ackerwildkräuter sind heute selbst vom Aussterben bedroht. Wenn Bauern auf die Ausbringung von Herbiziden verzichtet, lassen sich auch positive Effekte auf Insektenpopulationen nachweisen.
Ein Problem, das vielfach in der Beweidung zur Landschaftspflege auftritt, ist der Einsatz von Antiparasitika. Die behandelten Tiere bringen die Pestizide über Ihre Ausscheidungen in die Fläche, was nicht nur die auf Dung angewiesenen Insekten schädigen kann. Bei der Schafbeweidung gelangen über die Ausscheidungen Pestizide teilweise sogar in die Naturschutzgebiete. [21]
Grund 5: Klimawandel und Insektensterben
In aller Kürze
- Der Klimawandel verursacht tiefgreifende Veränderungen in der Umwelt.
- In einer zerstückelten Landschaft ist es vielen Arten unmöglich, in klimatisch passendere Regionen auszuweichen.
- Nicht allen Insektenarten schadet der Klimawandel. Manche Arten, wie die Europäische Gottesanbeterin, profitieren auch von den wärmeren Temperaturen.
- Insgesamt geschehen die klimatischen Veränderungen aber für alle Insektengruppen zu schnell und haben zu tiefgreifende Effekte. Eine Anpassung ist somit kaum möglich.
Gewinner und Verlierer der Klimaerwärmung
Der menschengemachte Klimawandel verschärft viele der in den vorherigen Kapiteln angesprochenen Probleme. Dabei ist es keineswegs so, dass alle Insektenarten negativ auf die Erwärmung reagieren. Arten wie die Europäische Gottesanbeterin breiten sich zunehmend nach Norden aus. Auch bedrohte Insekten wie die Blauflügelige Ödlandschrecke profitieren von wärmeren Temperaturen.
Eines der größten Probleme beim Klimawandel ist die Zersplitterung unserer Kulturlandschaft. Geeignete Lebensräume sind oft weit voneinander entfernt. Das verhindert, dass weniger mobile Arten bei zunehmender Erwärmung nach Norden wandern können. Eine Verlagerung des Lebensraumes ist bei uns schlicht nicht mehr möglich. Vor allem schaffen es viele Arten nicht, mit der Geschwindigkeit des Klimawandels mitzuhalten.
Die vereinzelten Populationen sind nicht nur durch die direkte Erwärmung betroffen. Extremwettereignisse, ob Starkregen oder Hitzewellen, werden durch den Klimawandel befördert. Sie bedrohen Arten, die nur noch in kleinen Lebensrauminseln vorkommen.
Stirbt eine spezialisierte Art an einem Ort aus, ist es unwahrscheinlich, dass diese erneut aus anderen Gebieten wieder einwandern kann. [22]

Effekte von warmen Temperaturen auf Insekten und ihren Lebensraum
Insekten sind wechselwarme Tiere. Das bedeutet, dass die Umgebungstemperatur maßgeblich ihre Aktivität bestimmt und damit auch Verhalten und Fortpflanzung. [23]
Problematisch wird die Klimaerwärmung vor allem für Insekten, die an Kälte angepasst sind. Sie bekommen bei hohen Temperaturen Probleme mit ihrem Stoffwechsel. So sterben bei milderen Temperaturen während der Überwinterung deutlich mehr Raupen des Rundaugen Mohrenfalters. Bei wärmeliebenden Arten dagegen kann die Fortpflanzungsrate sogar steigen. [24]
Mit dem Klimawandel kommt es außerdem zu einer Verschiebung der Jahreszeiten. Damit wachsen Pflanzen früher, auf die einzelne Insektenarten zur Fortpflanzung angewiesen sind. So können wechselseitige Beziehungen zwischen verschiedenen Arten durcheinander gewirbelt werden. Zum Beispiel dann, wenn eine Insektenart früher aus der Winterruhe erwacht, zu diesem Zeitpunkt aber die Pflanze noch nicht weit genug entwickelt ist, die die Tiere zur Eiablage benötigen.
Für den Aurorafalter konnten Studien zeigen, dass die einzelnen Tiere bei wärmeren Temperaturen nicht mehr gleichzeitig schlüpfen. Der Schlupf verteilt sich über einen längeren Zeitraum. Dadurch sind zu einem bestimmten Zeitpunkt weniger Individuen gleichzeitig unterwegs, was die Fortpflanzungsrate verringert.
Einzelne Arten wie die Aufrechte Trespe – eine Pflanze, die zu den Süßgräsern zählt – profitieren vom Klimawandel besonders stark. Die Trespe kann dann gebietsweise dominant auftreten und andere Arten verdrängen. So schwindet die Artenvielfalt auf der Wiese, was das Insektensterben beschleunigt. In diesem Fall sind besonders Kalkmagerrasen betroffen. [25]

Extremwetterereignisse können die Bestandentwicklung einzelner Insektenarten dagegen auch fördern. So profitierte der Schlüsselblumenwürfelfalter vom Sturm Lothar im Jahr 1999. Er besiedelte die Windwurfflächen, auf denen viele Bäume umgeknickt waren. [26]
An den Beispielen erkennt man, dass die Auswirkungen des Klimawandels auf Insekten sehr vielfältig sind. Sie unterscheiden sich je nach Insektenart und können sich sowohl positiv als auch negativ auf den Insektenbestand auswirken.
Insgesamt schreitet die klimatische Erwärmung jedoch so rasant voran, dass keine Insektengruppe mit diesem Tempo schritthalten kann. Durch die vielfältigen, sich teilweise überlagernden Auswirkungen ist eine wissenschaftliche Aufarbeitung schwierig. [27]
Ausblick: Es ist nicht zu spät das Insektensterben aufzuhalten. Wir haben eine Chance!
Bei allen gravierenden Ursachen für das Insektensterben ist eine Trendwende immer noch möglich. Dafür dürfen wir uns im Naturschutz nicht auf einzelne Arten fokussieren. Wir müssen Lebensräume wiederherstellen und vernetzen, in denen eine natürliche Dynamik entfesselt ist. Dafür müssen wir im Naturschutz noch viel mehr auf Landschaftsarchitekten wie die großen Weidetiere oder den Biber setzen. Wir müssen (Teile) unserer Flüsse von ihren Dämmen befreien und unsere Moore renaturieren.
Wenn wir den Mut haben, Naturschutz neu zu denken, sind überraschende Erfolge möglich. Ich empfehle allen Interessierten das Buch „Wildes Land“ von Isabell Tree. Sie hat auf einer Farm in England beispielhaft gezeigt hat, dass wir mit den richtigen Maßnahmen auch in Europa das Artensterben noch aufhalten können.
Quellenverzeichnis
- Krefelder Studie 2017: More than 75 percent decline over 27 years in total flying insect biomass in protected areas.
- Jan Haft: Wildnis, 2023, Seite 37f.
- Edgar Reisinger, Rene Sollmann: in Naturnahe Beweidung und Natura 2000, 2019, Seite 19.
- Eckhard Jedicke: in Naturnahe Beweidung und Natura 2000, 2019, Seite 131.
- Edgar Reisinger, Rene Sollmann: in Naturnahe Beweidung und Natura 2000, 2019, Seite 199.
- Fartmann, Jerdicke, Streiberger, Stuhldreher: Insektensterben in Mitteleuropa. Ursachen und Gegenmaßnahmen. 2021, Seite 37f.
- Ebd., Seite 41.
- Ebd., Seite 269.
- Ebd., Seite 41 – 43.
- Ebd., Seite 96f.
- Ebd., Seite 36.
- Ebd., Seite 36.
- Quelle: Bundesumweltamt: https://www.umweltbundesamt.de/themen/stickstoff-ein-komplexes-umweltproblem.
- Riffreporter.de: https://www.riffreporter.de/de/umwelt/stickstoff-ueberduengung-bedroht-artenvielfalt-foerdert-klimakrise.
- Insektensterben in Mitteleuropa. Ursachen und Gegenmaßnahmen. Seite 47.
- Bund für Umwelt und Naturschutz. https://www.bund.net/umweltgifte/pestizide/landwirtschaft/
- Insektensterben in Mitteleuropa. Ursachen und Gegenmaßnahmen., Seite 36.
- Ebd., Seite 108f.
- Spektrum.de: https://www.spektrum.de/kolumne/der-mosel-apollofalter-droht-auszusterben/2222338.
- Nabu.de: https://www.nabu.de/presse/pressemitteilungen/http/index.php?popup=true&show=33422&db=presseservice.
- Insektensterben in Mitteleuropa. Ursachen und Gegenmaßnahmen. Seite 111.
- Ebd., Seite 94.
- Ebd., Seite 82.
- Ebd., Seite 63f.
- Ebd., Seite 65f.
- Ebd., Seite 65.
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